Erfolgreicher Wintertourismus – auch ohne Schnee

© M. Maggi
Rückblick auf die Fachtagung 2023 in Bad Hindelang

Der Klimawandel hat zur Folge, dass sich die Temperatur in den Alpen erhöht und gleichzeitig auch Niederschläge weniger und variabler, also für Destinationen der Schneefall weniger wird und immer schlechter kalkulierbar. Das touristische Produkt des Wintersports ist daher gefährdet. Strategien und Maßnahmen, die Destinationen umsetzen, um ihre Attraktivität gegenüber Einheimischen und Gästen sowie auch ihre Wirtschaftskraft zu erhalten, tragen zu ihrer Resilienz, also ihrer Widerstandsfähigkeit bei. Ebendiese Thematik war Anlass für das Projekt BeyondSnow, für das sich 13 Partnerorganisationen aus dem gesamten Alpenraum zusammengetan haben. In zehn Pilotregionen wird ein Transformationsprozess angestoßen, um damit deren Resilienz steigern. Da eine unsichere Schneelage mit ausbleibendem Wintersport nicht nur diese zehn Pilotregionen betreffen, sondern den gesamten Alpenbogen, hat das Gemeindenetzwerk „Allianz in den Alpen“ zur Fachtagung unter dem Thema „Schneesicher? Sicher nicht! Perspektiven für den Wintertourismus in den Alpen“ nach Bad Hindelang/DE geladen. Über 120 Teilnehmende aus sieben Alpenländern kamen am 23. und 24. Oktober zusammen, um sich auszutauschen, zu diskutieren und vor allem zu informieren, wie andere Winterdestinationen heute schon mit unzuverlässiger Schneelage umgehen und trotzdem weiterhin erfolgreich bleiben.

„Schnee ist ein besonderes Erlebnisgut. Es deckt alles Hässliche zu, es verzaubert die Landschaft … der, der Schnee hat, gehört zu den Gewinnern.“ (Zitat Prof. Ralf Roth)

Kleine Skigebiete mit älteren Anlagen und ohne technische Beschneiung werden es gemäß der Studie Lost Area Ski Projects besonders schwer haben, so Prof. Dr. Christoph Schuck von der Universität Dortmund. Viele dieser Anlagen mussten in der Schweiz bereits ihren Betrieb einstellen. Technische Beschneiung kann zwar eine Lösung für Skigebiete sein, allerdings drohen angesichts immer längerer Trockenperioden sowie der Energiekrise mit entsprechend steigenden Preisen hierbei weitere Herausforderungen. Gleichzeitig ist es nicht nur der Klimawandel, der den Skitourismus gefährdet, sondern auch ein gesellschaftlicher Wandel. Immer weniger Menschen fahren Ski, immer weniger Kinder lernen Skifahren oder verfügen über eine entsprechende Ausrüstung.

Prof. Schuck plädiert gegenüber den Anwesenden zum Mut ggf. stillgelegte Anlagen zu zelebrieren und anderweitig zu nutzen. Sei es zur Energieerzeugung oder sogar für kulturelle Events. Hierbei erinnert er an die Industriekultur rund um Zeche Zollverein im Ruhrgebiet.

Heinz Seiler aus der Schweiz erzählt von der Schließung des Schweizer Skigebiets Ernergalen. Ein solches Ereignis kann ein sehr emotionaler und schmerzhafter Prozess sein. Er kann aber auch Chancen bieten, denn der Unterhalt solcher Anlagen verbraucht viele finanzielle Mittel, die so für andere, zukunftsweisende Investitionen zur Verfügung stehen. Seine Heimatgemeinde Ernen hat sich daran orientiert, welche touristischen Stärken es vor dem Bau des Skigebiets Ernergalen gab. Das waren die Landschaft sowie die kulturellen Ereignisse. In diese Stärken wurde investiert z.B. in die Gründung eines Naturparks und in den Ausbau der Wanderinfrastruktur mit einer Hängebrücke. Heute sind die Übernachtungszahlen auf gleichem Niveau wie zur Hochzeit des Skigebiets, nur verteilt auf das gesamte Jahr mit Fokus auf den Sommer. Er rät dazu, mit den vor Ort gewachsenen Stärken die Zukunft zu suchen.

Das auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basierende Dossier Facts4Tourism wurde von Henriette Adolf stellvertretender Geschäftsführerin von CIPRA Deutschland, vorgestellt. Das Dossier ist eine Sammlung von Fakten und Erkenntnissen aus Wissenschaft und Forschung, die sich mit Themen und Herausforderungen des Tourismus im Alpenraum auseinandersetzen. Neben Hintergrundinformationen, begrifflichen Definitionen und Praxisbeispielen hat Henriette Adolf vor allem aktuelle Forschungsergebnisse allgemeinverständlich und anhand von Grafiken präsentiert mit Fokus auf verschiedene Tourismusformen, deren Auswirkungen, die Lenkung von Besucher*innen und die Herausforderung „Resilienz im Tourismus“.

Veränderte Bedingungen im Winter – nicht mehr weiß und kalt – brauchen veränderte Kommunikation. Destinationen brauchen idealerweise flexible Gäste, die Wintersport betreiben, sofern Schnee vorhanden ist, aber mit anderen Angeboten ebenfalls zufrieden sind. Wie kann das gelingen?

Der Kommunikationsexperte Michael Adler betont, dass die eigene Einstellung einer Transformation entgegenwirken kann: „Das haben wir noch nie so gemacht; wir haben doch andere Probleme; das wird so nicht funktionieren.“ Wir sollten uns daher an Pippi Langstrumpf orientieren und ihrem Motto „Das haben wir noch nie probiert, es geht sicher gut.

Er hält es für entscheidend, die aktuellen Herausforderungen in den Alpen nicht als Blockade, sondern als Chance zu sehen und so auch an die Kommunikation heranzugehen. Er ermutigt die Teilnehmenden an eine „desireable future“, also eine erstrebenswerte Zukunft, zu denken und darauf hinzuarbeiten. Dabei sollte das WARUM unser Tun leiten und nicht das WIE oder WAS. Gemeinsam mit Adler träumen die Teilnehmenden von einer Zukunft im Alpentourismus – ohne Budgetlimits oder sonstige Einschränkungen. Zutage kommen Ideen von uneingeschränkter Mobilität, mit dem Fahrrad oder dem ÖPNV. Die Teilnehmenden wünschen sich einen fairen Tourismus mit Angeboten für alle Bevölkerungsschichten und Einkommen. Sie wünschen sich einen Tourismus, der die schroffe Schönheit der alpinen Natur in den Mittelpunkt rückt und sommers wie winters dieselbe Wertschöpfung und zufriedene Gäste bringt. Daran gilt es in den Regionen nun zu arbeiten.

Ehrliche Bilder und Angebote bietet das Achental seinen Gästen erzählt Elisabeth Keihl vom Achental Tourismus. Besonders auf Social Media wird geteilt, wie die Region aktuell aussieht. Liegt Schnee, freut man sich und lädt zum Langlaufen ein. Liegt kein Schnee, werden Rauhnachtswanderungen, Kochkurse oder andere Highlights im Tal beworben. Die Gäste freuts, die Region erlebt derzeit eine Steigerung der Übernachtungszahlen, sogar verglichen mit Vor-Corona.

Bad Hindelang/DE und Chartreuse/FR: Die Bevölkerung einzubeziehen ist der Schlüssel zu erfolgreichen Projekten. Diese Aussage lässt sich auf viele Regionen und viele Bereiche der nachhaltigen Entwicklung übertragen. In der Chartreuse wird mit viel ehrenamtlichem Engagement und Know How ein finanziell angeschlagenes Skigebiet betrieben. Gleichzeitig macht sich die französische Region auf und arbeitet im EU-Projekt Transtat mit, um eine neue touristische Strategie für einen erfolgreichen Ganzjahrestourismus aufzustellen. In Bad Hindelang ist das bereits geschehen. Ein touristischer Markenbildungsprozess wurde verworfen und mit viel Bürgerbeteiligung ein Lebensraumkonzept entwickelt. Inhalte sind die Besinnung auf authentische Werte aus der Region, Stolz und Respekt vor der Kulturlandschaft in den Allgäuer Hochalpen. Gäste sollen sich fühlen wie Einheimische auf Zeit und Einheimische sollen von den Gästen und dem Tourismus profitieren und nicht darunter leiden. Authentische Angebote zusammen mit Einheimischen im Rahmen der Bad Hindelang Plus Karte laden die Gäste zur Teilhabe ein. Es werden Erlebnisse ermöglicht, die besonders sind und den Gast nachhaltig berühren. Diese Angebote funktionieren mit und ohne Schnee.

Präsentationen der Tagung stehen zum Download zur Verfügung.

Hier finden Sie einen Bericht zum Workshop "Tragfähigkeiten im Tourismus".