Webinar: Tourismus und Lebensqualität im Alpenraum
Im vierten und letzten Webinar der Reihe standen die Verbindungen zwischen Gemeinden, Lebensqualität und Tourismus im Mittelpunkt. Die zahlreichen Teilnehmenden erfuhren, wie nachhaltiger Tourismus gelingen kann – mit Blick auf Gesundheit, Kultur, Natur, Reisetrends, Mobilität und Klimawandel.
Im ersten Input stellte Christina Pichler von der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg den One Health-Ansatz vor. Dieser verbindet die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt und spielt zunehmend auch im Tourismus eine Rolle. Unter diesen wird die Urbanisierung ausdrücklich als zentraler Risikofaktor identifiziert, mit Folgen wie Luftverschmutzung, Verlust der Biodiversität, psychosozialem Stress und steigenden Raten chronischer Krankheiten. Der weltweite Trend zur Verstädterung biete paradoxerweise eine Chance für die Alpenregionen: Sie können als Orte der Erholung, der gesunden Umwelt und des Wohlbefindens den steigenden Gesundheitsbedürfnissen der Stadtbevölkerung gerecht werden, erklärt Christina Pichler, und: «Die Alpen werden so zu mehr als nur landschaftlichen Kulissen – sie werden zu aktiven Gesundheitslandschaften.» Als Beispiele nennt sie die Krimmler Wasserfälle oder der Gartl Wasserfall im Mölltal/AT, deren feine Wassertröpfchen nachweislich bei Asthma und Allergien helfen. Das Ziel: Naturbasierter Gesundheitstourismus, der wissenschaftlich fundiert ist, regionale Entwicklung unterstützt und gleichzeitig Naturschutz sichert.
Kultur verbindet Menschen und Regionen
Stojan Pelko präsentierte GO! 2025, die Kulturhauptstadt Europas Nova Gorica-Gorizia/SL-IT. Unter dem Slogan «GO borderless» verbindet die zwischen beiden Städten verlaufende Staatsgrenze: Hier wird das 20. Jahrhundert entlang des Grenzflusses Soča-Isonzo neu interpretiert – mit Ausstellungen, Veranstaltungen und kreativen Orten wie einem Kunst-Obstgarten. Auch Kulinarik wird als kulturelles Erbe verstanden. Das Projekt richtet sich gleichermaßen an Gäste wie Einheimische und schafft gemeinsame Erlebnisse. .
Max Hillmeier, Tourismusdirektor in Bad Hindelang/DE, sieht Gäste als «Einheimische auf Zeit». Die Alpwirtschaft prägt Identität und Tourismus der Gemeinde, die zu 80 % unter Landschafts- oder Naturschutz steht. Besucherlenkung durch digitale Systeme und «Natur-Scouts», nachhaltiger ÖPNV (z. B. das Emmi-Mobil) und die Gästekarte «Bad Hindelang Plus» sichern ein verträgliches Miteinander von Einheimischen und Besucher:innen.
Die Natur vor der Haustür
Auch Klemen Langus von Bohinj Turizem/SL betonte mit dem Living Room-Konzept die Bedeutung von Grenzen im Tourismus. Das Biosphärenreservat gilt als Wohnzimmer der Bevölkerung – und es dürfen nur so viele Gäste eingeladen werden, wie Platz ist. Ziel ist ein Gleichgewicht zwischen Tourismus, Landwirtschaft und Naturschutz.
Ein gelungenes Beispiel für den Wandel präsentierte Robert Heuberger vom Naturpark Dobratsch/AT. Aus einem ehemaligen Skigebiet entstand durch intensive Beteiligung der Bevölkerung ein Naturpark mit sanftem Tourismus. Heute besuchen jährlich fast 400.000 Menschen das Gebiet, das mit Barrierefreiheit, Naturerlebnissen und gezielter Besucher:innenlenkung überzeugt.
Werner Zanotti von Brixen-Bressanone Tourismus/IT berichtete über die Herausforderungen rund um den Hausberg Plose: Steigende Gästezahlen bei sinkender Aufenthaltsdauer belasten die Infrastruktur. Lösungsansätze sind Besucherbegrenzungen, neue Mobilitätskonzepte und eine stärkere Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft. Gastronomisch soll der hohe Fleischkonsum reduziert und stärker auf lokale Produkte gesetzt werden. «Wir sind die Lebensraum-Kümmerer und heißen Tourismusorganisationen» bringt Werner Zanotti die Vielzahl an Herausforderungen auf den Punkt und ergänzt, dass «nachhaltige Angebotserstellung und Lebensraum-Gestaltung zu den wichtigsten Aktivitäten der Tourismus-Organisationen geworden sind.
Gute Rahmenbedingungen schaffen
Ein weiteres zentrales Thema war der Mangel an Arbeitskräften im alpinen Tourismus – oft verstärkt durch fehlenden Wohnraum. Vera Ambühl von der Schweizer Arbeitsgemeinschaft Berggebiete SAB zeigte, wie Gemeinden und Betriebe gemeinsam Wohnlösungen schaffen: durch Umnutzung bestehender Gebäude, Verpflichtungen bei Neubauten oder Einschränkungen für Plattformen wie Airbnb. Wichtig ist eine standortangepasste Strategie, bei der Gemeinden moderierend eingreifen. Ein neu erschienener Leitfaden bietet einen breiten Überblick.
Katharina Gasteiger von Allianz in den Alpen stellte abschließend das Climate Resilience Tool aus dem BeyondSnow-Projekt vor. Es hilft Gemeinden, ihre Stärken und Schwächen im Umgang mit dem Klimawandel zu analysieren – insbesondere in Regionen, die stark vom Schneetourismus abhängig sind. Ziel ist es, Resilienz aufzubauen, neue wirtschaftliche Perspektiven zu entwickeln und die Lebensqualität langfristig zu sichern.
Das Webinar zeigte eindrucksvoll, wie vielfältig die Herausforderungen und Lösungen im alpinen Raum sind. Entscheidend ist die Zusammenarbeit von Gemeinden, Tourismusakteur:innen und der Bevölkerung – um Lebensqualität zu sichern, nachhaltigen Tourismus zu gestalten und sich zukunftsfähig aufzustellen.
Hinweis
Die Webinar-Reihe für Gemeinden beleuchtete die Schwerpunkt-Themen des Mehrjährigen Arbeitsprogramms der Alpenkonvention und bot Interessierten die Möglichkeit, voneinander zu lernen und mehr über interessante Praxisbeispiele zu erfahren. Die Nachberichte und Präsentationen zu jeder Veranstaltung finden Sie online: