Klimawandel im Siedlungsgebiet
Der Alpenraum wird zukünftig von Wetterextremen wie langanhaltenden Starkregenereignissen mit Folgen wie Hochwasser, Hangrutschungen und Muren-Abgängen, aber auch Hitze und Trockenperioden, überdurchschnittlich stark betroffen sein. Wie können alpine Kommunen den Auswirkungen dieser komplexen und globalen Klimaphänomene begegnen?
Unter dem Titel „Klimawandel im Siedlungsgebiet“ widmete sich am 19.11.21 der 2. Online-Workshop im Rahmen des Projekts Klima.Fit der Klimawandelanpassung auf kommunaler Ebene.
In vier Impulsvorträgen wurden Herausforderungen durch den Klimawandel und konkrete Lösungsansätze und Herangehensweisen auf dem Weg zum „klimafitten“ Siedlungsraum diskutiert.
Lokale Expertise - interdisziplinär & regionsübergreifend vernetzt
Da der Klimawandel in fast alle Lebensbereiche hineinwirkt, wurde im Workshop die sekotrübergreifende Zusammenarbeit als zentraler Erfolgsfaktor deutlich. Aber auch der Autausch über Gemeindegrenzen hinweg ist zentral um bei Anpassungsmaßnahemn voneinander zu lernen.
Referent Paul Stampfl, Geschäftsführer der Telesis GmbH und Kommunalpolitiker, bot mit seinem Impulsvortrag einen Einstieg in das Thema. Nach einem Überblick über die zentralen klimatischen Veränderungen im Alpenraum, fokussierte sein Vortrag auf wichtige Faktoren für die Klimawandelanpassung im Siedlungsraum. In Bezug auf bauliche Maßnahmen sollten bei den Überlegungen der Gemeinden neben der Optimierung einzelner Gebäude vor allem die Gesamtbetrachtung der Flächennutzung und deren Ausgestaltung im Mittelpunkt stehen. Reduktion der Bodenversiegelung, angepasste Bebauungsstruktur und Infrastruktur sowie der Erhalt naturnaher Flächen bilden die Schlüsselfaktoren für Klimawandelanpassung im Siedlungsraum.. Auch eine Verzahnung mit dem umliegenden Grünraum verbessert den Luftaustausch und ist in Bezug auf Emissionen und Abwärme zu berücksichtigen.
Klimaschutz und Klimawandelanpassung – Widersprüche bei der Flächennutzung?
Eine optimale Ausgestaltung der Flächen im Siedlungsgebiet nimmt allerdings weiter an Komplexität zu, wenn im Sinne des Klimaschutzes eine Innenverdichtung angestrebt wird, um etwa kurze Wege im Sinne einer CO2-armen Mobilität zu gewährleisten. Um beidem gerecht zu werden gilt es bei allen Flächen – sowohl Gebäuden als auch Freiflächen – auf die qualitativ hochwertige Gestaltung zu achten. Vorteile bringen dabei Bauwerksbegrünungen und öffentliche Grünflächen mit hoher Biodiversität.
Neben baulichen Anpassungsstrategien haben Gemeinden auch im Gesundheitsbereich Handlungsspielraum für die Reduzierung der negativen Auswirkungen des Klimawandels auf die Bevölkerung. Hanna Mertes, in der Forschung am LMU Klinikum München tätig, erläuterte in ihrem Impulsreferat die häufigsten klimawandelbedingte Gesundheitsrisiken und wie man diesen auf Gemeindeebene entgegenwirken kann.
Grundvoraussetzung ist die Identifikation von Risikogruppen und Multiplikatoren, um diese in weiterer Folge zielgereichtet über Gesundheitsrisiken und effektive medizinische Maßnahmen zu informieren. Neben präventiven Maßnahmen gilt es auch über Handlungsmöglichkeiten im Akutfall zu informieren. In Bezug auf die menschliche Gesundheit wird deutlich, wie die physischen Auswirkungen des Klimawandels von sozialen Rahmenbedingungen abhängen. Psychische Folgen für die Betroffen dürfen nicht übersehen werden.
Am Beispiel des Hitzemaßnahmenplans der deutschen Stadt Worms konnte die konkrete Etablierung einer Anpassungsstrategie verfolgt werden. Als vulnerable Gruppen wurden ältere Menschen aber auch Kinder identifiziert. Es wurden Pflegeeinrichtungen angesprochen, um entsprechende Vorsorgemaßnahmen bei älteren Menschen zu etablieren. Entsprechend wurden neben medizinischen Betreuer*innen auch Pädagog*innen als Multiplikatoren ausgebildet, die eine Umsetzung der Maßnahmen in den Bildungseinrichtungen vorantreiben.
Das Schwammstadt – Prinzip: Bäume im Stadtgebiet
„Wir brauchen Bäume im Stadtgebiet!“ So lautet die Botschaft des Referenten Johannes Selinger, tätig beim Klimabündnis Österreich um im Modellregionsmanagement der Klimawandelanpassungsregion Mistelbach – Wolkersdorf (Niederösterreich).
CO2-Bindung, Windschutz, Feinstaubbindung, Kühlung und Beitrag zur Biodiversität – damit Bäumen im Siedlungsraum diese wertvollen Funktionen erfüllen können, sind entsprechende Voraussetzungen für die Entwicklung gesunder großkroniger Bäume zu schaffen.
Copyright: Karl Grimm
Wurzelraum kann durch nichts ersetzt werden!
Probleme im Stadtgebiet stellen unter anderem die Bodenverdichtung durch Straßenverkehr, der Eintrag von Streusalz und Hundeurin aber auch mangelnder Wurzelraum dar. Eines vorab: Baum-Altbestände sind unersetzlich! Extrem lange Vegetationszeiträume sollten bedacht werden bevor ohne Prüfung von Alternativen Altbestand gefällt wird.Für die Neugestaltung von Freiflächen im Siedlungsgebiet stellt das Schwammstadtprinzip eine Möglichkeit dar, Bäumen gute Wachstumsbedingungen zu ermöglichen und gleichzeitig das Regenwassermanagement zu verbessern. Dies gelingt dadurch, dass Wasser, welches von versiegelten Flächen abläuft, nicht in das Abwassersystem geleitet, sondern dem Wurzelraum des Baumes zugeführt wird. Um eine ausreichende Wasserqualität zu gewährleisten, wird dabei nur Gewässerklasse F1 (Abläufe von Geh-, Radwegen und Gebäudedächern) in Betracht gezogen. Somit dient es dem Baumwachstum aber gleichzeitig über die Verdunstung der Abkühlung der Umgebungstemperatur. Bezieht man zusätzlich zum Schwammstadtprinzip auch noch Dach-und Fassadenbegrünungen mit ein, kann eine kaskadische Regenwassernutzung erzielt werden.
Wissensmanagement auf lokaler Ebene – ein wichtiger Impuls für das Risikomanagement von Gemeinden
Die große Bedeutung eines professionellen Risikomanagements in Gemeinden wurde im vergangenen Jahr durch die Hochwasserereignisse deutlich. Stefan Ortner, Geschäftsführer von von Lo.La Peak Solutions, verdeutlichte in seinem Vortrag die zentrale Bedeutung des Wissensmanagement im Bereich des Risikomanagement und dem Umgang mit Naturgefahren verdeutlichen. Im Multi-Hazard-Ansatz verfolgt man dabei das Ziel, themenübergreifend alle relevanten Risikofaktoren und entsprechende Lösungsansätze mit einzubeziehen. Gerade hier ist das Mitwirken lokaler Expert*innen mit einem guten Überblick über die Gemeinde entscheidend. Neben dem Wissensschatz trägt auch die Identifikation mit der Region und das damit verbundene Engagement erheblich zum Erfolg bei.
Ausschlaggebend bei der Einbindung lokaler Expert*innen ist die Wertschätzung und Einbeziehung in kommunale Entwicklungsprozesse. Im Sinne des Wissensmanagements sollten Kommunen dabei den Austausch im überregionalen Kontext und auch die Wissensvermittlung an Multiplikatoren fördern.
„Lokale Expert*innen sind Rohdiamanten, die u.a. durch Austausch mit Expert*innen von Forschungseinrichtungen zum Glänzen gebracht werden können“, so Stefan Ortner
Im Sinne eines Management-Kreislaufes darf die Dokumentation und Reflexion von Maßnahmen nicht vernachlässigt werden. Der kontinuierlicher Wissensaufbau ermöglicht aufbauend auf Erfahrungen solide Entscheidungsgrundlagen für die Zukunft zu schaffen.
Allianz in den Alpen entwickelt in Klima.Fit ein Planungstool für Gemeinden, mit dem sie ihren IST-Zustand evaluieren können. Von der Planung, Umsetzung und Re-Evaluation der Gemeinde-Angebote und deren Verbesserung bietet das Gemeindenetzwerk Begleitung. Bei Fragen wenden Sie sich an die Projektleiterin Gabriele Greußing: oesterreich@alpenallianz.org.